top of page

Die Wirkungslosigkeit des Proportionalitätsprinzip in der regulatorischen Gesetzgebung

  • Jörg Kunze
  • 8. Okt.
  • 2 Min. Lesezeit

Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit (Proportionalität) ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, der besagt, dass staatliche (oder regulatorische) Maßnahmen nicht über das zur Erreichung des angestrebten Ziels angemessene und erforderliche Maß hinausgehen dürfen.

Trotz der angestrebten Erleichterungen sind die Anforderungen immer noch sehr umfangreich und detailliert sind und folgen zu sehr einem "Gießkannenprinzip", statt wirklich einen unternehmensspezifischen Ansatz zu ermöglichen, der der tatsächlichen Komplexität des Geschäftsmodells Rechnung trägt.

Hoher Aufwand der Risikoabwägung (Die Falle des Aufwands)

Die Ironie ist, dass die anfängliche Risikoabwägung (Wesentlichkeitsanalyse) selbst ein komplexer Prozess ist, der Ressourcen bindet. Unternehmen argumentieren oft, dass der Aufwand, um festzustellen, ob sie eine Anforderung weglassen dürfen, fast genauso groß ist wie die vollständige Umsetzung.

Grenzen der Proportionalität und "Overshooting"

Die regulatorischen Schwellenwerte sind oft so niedrig angesetzt, dass sie bereits eine große Zahl mittelständischer Unternehmen erfassen, für die der volle Umfang der Berichterstattung eine immense Belastung darstellt. Die Regulierung "overshootet" ihr eigentliches Ziel (die größten Unternehmen zu erfassen).

Risikoaversion der Vorstände und der Prüfung

Dies ist der entscheidende Punkt in der Praxis:

  • Vorstände: Die Geschäftsleitung scheut das Haftungsrisiko. Da die Anforderungen sehr detailliert sind, ist es sicherer und einfacher, alles umzusetzen, als eine Abweichung zu rechtfertigen, die im Nachhinein als unzureichend kritisiert werden könnte.

  • Wirtschaftsprüfer: WPs müssen die Berichterstattung prüfen. Da die Prüfstandards (noch) wenig Erfahrung mit einer "abgespeckten" Proportionalitäts-Anwendung haben, drängen sie aus Gründen der Rechtssicherheit und Prüfbarkeit oft auf die vollständige Offenlegung. Die Anwendung des Proportionalitätsprinzips führt zu komplexeren Prüfungsfragen als die vollständige Einhaltung.

Mangelnde Hilfestellung der Aufsicht

Wenn Aufsichtsbehörden (wie die BaFin in anderen Finanzregulierungen) keine klaren, verbindlichen Leitlinien für eine vereinfachte, aber ausreichende Umsetzung für kleinere Akteure geben, fehlt den Unternehmen und den Prüfern die notwendige Rechtssicherheit.

Fazit

Die Schlussfolgerung, dass diese Faktoren in der Summe dazu führen, dass "alle Unternehmen mit mehr als einer Handvoll Mitarbeiter vollumfänglich umsetzen müssen", ist eine harte, aber realistische Beobachtung des Mechanismus:

Die theoretische Entlastung durch das Proportionalitätsprinzip wird in der Praxis durch Haftungsangst, Prüfungsanforderungen und fehlende Konkretisierung der Aufsicht quasi aufgehoben. Dies zwingt Unternehmen oft dazu, sich aus Gründen der Vorsicht und der Rechtssicherheit an den anspruchsvollsten Standard zu halten, anstatt die intendierte verhältnismäßige Lösung zu suchen.

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Kommentare


bottom of page